 |
die Aussage der Reiseführerin klingt natürlich
in den Ohren eines passionierten Motorradfahrers wie die übliche
Warnung vor dem bösen Verkehr, ist jedoch nicht unbegründet.
Noch vor Jahren pflegten Chinesen in Peking ihren Führerschein auf einem Übungsgelände
zu machen, ohne Verkehr. Damals konnte man das auch ohne Risiko, denn
auch die Heerscharen von Fahrradfahrern konnten den wenigen Autos nichts
anhaben.
Heute ist es natürlich alles anders, man braucht je nach Prüfer schon
eine Stange Zigaretten oder ähnliches, um die ‚Götter' freundlich
zu stimmen, muss auch in den Alltagsverkehr hinaus. Die Zahl der Autos und Nutzfahrzeuge
wächst rasant - die neuen Reichen fahren BMW, Passat, Tuareg und Benz, der
moderne gehobene Mittelstand fährt Plagiate - und die Radfahrer
geraten in die Minderheit.
|
 |
Da könnte man ja überlegen, ein Auto zu kaufen, wenn es
denn Parkplätze gäbe. Die riesigen Neubau-Wohnviertel am
Rande der Stadt sind durch wunderschöne und perfekt gepflegte
Parkanlagen umgeben, nicht aber - wie hier - durch Parkplätze.
Da ist der normale Arbeitnehmer in der Praxis mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln schneller am Ziel, als mit einem Auto.
Nur zur Einordnung der Problematik: die besuchten Stadträume und regierungsunmittelbaren
Regionen weisen eine Größe zwischen 4 und 33 MIo. Einwohner auf. Shanghai
hat etwa 14 Mio. Einwohner und zusätzlich geschätzte 4 Mio.
Wanderarbeiter. |
 |
Interessant ist, dass durchaus in einigen Städten die Mobilität
unterschiedliche Gesichter hat. Während man in Peking überwiegend
Autos und Elektrofahrräder sieht, nimmt die Zahl der Motorräder
- nach meinem Eindruck überwiegend asiatische Lizenzbauten - auf
dem Land zu.
Die feine Dame fährt Elektro mit armlangen Handschuhen, zugeknöpftem
Dekolletee und einem überdimensionierten Sonnenschirmkäppi, um nicht
braun zu werden, gelegentlich mit am Lenker fest montiertem Schirm. Überland
brausen die großen Motorräder ebenfalls mit fest installiertem Schirm
mit Soziusverlängerung, für unsere Breitengrade bei Schmuddelwetter
auch durchaus nützlich. In verschiedenen Innenstädten sind aus Gründen
des Umweltschutzes nur mit Gas betriebene Taxen zugelassen und mit Benzin betriebene
Motorräder ausgeschlossen.
|
 |
In Shanghai kostet z.B. der kleinste PKW chinesischer
Fertigung rund 4000 Euro, das Kennzeichen dafür allerdings ebensoviel.
Fußgänger
sollten nur in Gruppen über die Straße
gehen heißt es. Autofahrer betrachten Einzelgänger schon
eher als Freiwild.
Letztere Warnung ist gut gemeint, muss aber nicht immer beherzigt
werden, denn: allein sein' kommt im chinesischen Sprachgebrauch nicht
vor, schon gar nicht auf der Straße. Im Stadtverkehr zeigen
die Fußgängerampeln die Restlaufzeit in Sekunden an, aber
nur für diejenigen mit festem Glauben, die der Wirkung roter
Ampeln vertrauen.
|
 |
Dort, wo keine Ampeln den Verkehr regeln, gestikulieren
orange-bemützte
Omas und Opas als Verkehrshelfer mehr oder minder eindrucksvoll gegen
den Strom von Fußgängern, Rad- und Mopedfahrern an.
Noch vor wenigen Jahren hatten sie das Recht, die kleinen Verkehrssünden
direkt zu bestrafen: da musste man dann zum Ausgleich am nächsten Tag dort
den Verkehr regeln!
Diese Ausgangslage und die Notwendigkeit, sich im täglichen Überlebenskampf
durch die Millionen von Verkehrsteilnehmern durchzuboxen, ist dafür verantwortlich,
dass jeder sich nach dem Motto bewegt, wenn es sein muss: schubsen und vordrängeln', ‚wer
bremst verliert'. Je größer das Auto, desto mehr Recht!
|
 |
Da schießt man rigoros seitwärts in den fließenden
Verkehr bis die Kotflügel fliegen, schneidet die Fahrspuren und
biegt aus heiterem Himmel ohne wenn und aber von der linken über
alle anderen Spuren hinweg rechts in die nächste Seitengasse,
auf dass die Reifen nur so rauchen.
Man stelle sich nur vor: ein Schalkespiel wäre zu Ende, zugleich die Eröffnung
des Sommerschlussverkaufes und man beschließt den Einkauf im Woolworth-getümmel
mit dem Moped zu erledigen. Das ist hier auf den Märkten kein
Problem!
Auf der vierspurigen Überlandstraße bleibt man sicherheitshalber links,
denn rechts könnten ja gelegentlich die Bauern mit ihrem unberechenbaren
Vieh gehen oder es fahren hier abenteuerlich beladene Fahrräder oder Mopeds.
Man sieht riesige knatternde und schwankende Kasten- und Korbkollagen, Großfamilien
auf schmalbrüstigen Rollern, frisch geschlachtete Schweine quer
auf dem Sozius und hier und dort liegen gebliebene LKW.
Vielleicht fährt man links, weil rechts die Schlaglöcher tiefer sind.
Zur Freude des Gegenverkehrs wird also grundsätzlich die Gegenfahrbahn zum Überholen
genutzt. Als Beifahrer genießt man den Gegenverkehr besser mit
geschlossenen Augen.
Apropos Dunkelheit: Zweiradfahrer jedweder Art, PKW und LKW fahren
auch in der Nacht nicht etwa zwingend mit Licht, wozu auch, Strom ist
teuer. Ordnungshüter
sind zwar reichlich vorhanden, schreiten aber nicht ein.
Es passiert allerdings, gemessen an dem quirligen Durcheinander auf
den Straßen,
dennoch relativ wenig.
|
 |
Unsere Strecke im westlichen Zentralchina führt auch über
eine Landstraße der tausend Köstlichkeiten: nur mit Mühe
und schmerzhaften Längs- und Querverwindungen, die sich bis in
die Nackenwirbel fortpflanzen, quält sich unser Bus für Stunden
von Schlagloch zu Schlagloch, oft nicht viel schneller als ein Fahrrad,
durch eine zauberhafte fruchtbare Hügellandschaft, mit Bambus
und Palmen bestanden, kleine Dörfer, Reisfelder, Fisch- und Schildkrötenteiche
in den Tälern. Hier wird wieder einmal deutlich, wie gut doch
einerseits die Ernährungslage in diesen fruchtbaren Landschaften
sein muss, andererseits: welche großen Infrastruktur- und Logistikaufgaben
in diesem Land noch zu bewältigen sind, um eine annähernde
Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen zu erreichen. |
 |
Entspannt geht es auf den Autobahnen zu, wenngleich
auch hier die deutsche Gründlichkeit beim Bau der Straßen die Sparsamkeit
der Spediteure nicht vorausahnen konnte: viele LKW wurden über
Jahre mit dem Dreifachen ihrer zulässigen Tonnage beladen, so
dass die Straßen binnen kurzer Zeit ruiniert waren. Seit dem
werden die LKW gewogen!
Im Binnenverkehr baut China auf Wasserwege. Während vor dem Bau des ersten
Yangtse-Staudammes kleine Frachtkähne ausgehend von den drei Schluchten
etwa 5 bis 600 Km stromauf durch Vieh- und Manneskraft zum Teil von Gebirgspfaden
aus gezogen wurden, ermöglichen die Staudämme es, dass nun Frachter
mit 70 bis 80 Lastzügen im Huckepack stromauf den Ballungsraum Chongquing
(33Mio.) erreichen. Am Rande de Yangtse sieht man immer wieder Kohleverladungen,
die durch den ‚Ameisentransport' der Bevölkerung dieser Bergregionen
gespeist werden. Am Ufer, das von vielen neuen Städten überragt wird,
schweißen Schiffbauer ohne jede Werkstätten und Behausungen, nur mit
Autokran und Blech bewaffnet, Frachter zusammen, die pünktlich zum nächsten
Frühjahr mit dem Hochwasser aufschwimmen müssen.
Dieser aufgestaute Yangtse ergänzt den historischen Kaiserkanal entlang
der Ostküste, der einen Güterverkehr und Wasseraustausch von Peking
in den Raum Shanghai ermöglicht. Ein neues Jahrhundertprojekt, ein neuer
Kanal vom Oberlauf des Yangtse in den Raum Peking, am Fuße der großen
Gebirge entlang, soll vor allem neben dem Gütertransport der Wasserversorgung
der zunehmend austrocknenden Landwirtschaften nordwestlich Peking dienen. |
|
Einige Fotos habe ich hier
für euch abgeheftet.... |