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Welt am Sonntag, 17.10.2004, Von Torsten Schubert
Stellen wir uns einmal vor, es ist wieder Frühling. Der
Himmel ist blau, die ersten Sonnenstrahlen lassen die Wärme
des nahenden Sommers erahnen. Höchste Zeit, das Motorrad
aus der Garage zu holen. Gierig darauf, das Triebwerk aus dem
Winterschlaf zu erwecken, drückt der Besitzer auf den
Starterknopf. Doch abgesehen von einem zaghaften "Klick"
passiert nichts, und dann sind auch noch die Reifen platt.
Der Anruf in der Werkstatt gibt dem frustrierten Fahrer den
Rest. Gern schaue man das Zweirad an, aber bitte erst in sechs
Wochen, derzeit sei man ausgebucht.
Solche oder ähnliche Erfahrungen machen viele Motorradfahrer
jedes Jahr aufs Neue. Nicht einmal jeder zweite, wissen Händler
zu berichten, bereitet sein Zweirad für den Winter vor.
Unter denen, die ihre Maschine am Saisonende in den Winterschlaf
schicken, sorgen die wenigsten für eine "artgerechte" Überwinterung.
Vergleichsweise fürsorglich sind die Fahrer von Choppern
und Cruisern, etwa der Marke Harley-Davidson. Deren Eigentümer
wissen, dass ihre chromblitzenden Maschinen nur dann ansehnlich
bleiben, wenn die Chromteile regelmäßig gereinigt
und poliert werden. Die Fahrer der meisten anderen Modelle
nehmen es dagegen nicht immer so genau mit der Reinlichkeit
ihrer Motorräder. Dabei kann mit ein wenig Pflege und
den richtigen Handgriffen beim Einmotten bösen Überraschungen
vorgebeugt werden.
Vorbereitung:
Das Motorrad immer aufbocken, und das Vorderrad vollständig
entlasten. Dies verhindert eine Verformung der Reifen. Da bei
vielen Motorrädern der Hauptständer fehlt, lohnt
sich die Anschaffung eines Montageständers. Die Kosten
in Höhe von höchstens 100 Euro für eine solche
Aufbockvorrichtung dürften angesichts eines Fahrzeugpreises
von inzwischen regelmäßig mehr als 10 00 Euro kein
Diskussionspunkt sein. Das gilt auch für eine spezielle,
reißfeste Abdeckplane.
Tank:
Tanks aus Blech bis zum Rand mit Benzin füllen, Kunststofftanks
dagegen vollständig entleeren. Dem Treibstoff einen wasserbindenden
Zusatzstoff aus dem Fachhandel beimischen.
Batterie:
Ausbauen und an einem frostsicheren Ort aufbewahren. Spezielle
Geräte stellen das regelmäßige Be- und Entladen
sicher. Dies erhöht die Lebensdauer der Batterie erheblich.
Motor:
Altes Öl durch frisches ersetzen und den Motor bis zum
Anschlag füllen. Vor dem Ablassen sollte man den Motor
warmlaufen lassen. Für die Überwinterung reicht Öl
aus dem Baumarkt. Im Frühjahr ist die Prozedur zu wiederholen.
Dann sollte das Öl aber gegen ein Qualitätsprodukt
getauscht werden. Kupferdichtung der Ablassschraube, Ölfilter
und O-Ring im Ölfilterdeckel ersetzen. Motor gründlich
reinigen und mit Sprühöl einnebeln. Ein Geheimtipp
dafür ist Ballistol, Dieses Öl wird sonst als Medikament
für Tiere und als Waffenöl eingesetzt.
Vergaser, Kühler:
Der Vergaser sollte entleert werden. Zur Not den Benzinhahn
absperren und den Motor mit erhöhter Leerlaufdrehzahl
laufen lassen, bis er ausgeht. Den Kühler mit frischem
Frostschutzmittel auffüllen.
Rahmen und Anbauteile:
Sie sollten gründlich gereinigt und mit Pflegemittel oder
Ballistol konserviert und damit fit für den Winterschlaf
gemacht werden.
Zündkerzen:
Wenn möglich herausdrehen und in jedes Zündkerzenloch
ein Schnapsglas Motoröl einfüllen. Danach wird der
Motor per Kickstarter oder Anlasser kurz durchgedreht, und
die Kerzen werden eingeschraubt. Vorsicht: Die Zündkerzen
sollten in den Kerzensteckern sein und auf dem Motorblock mit
dem Gewinde aufliegen, da es sonst zu Schäden an der elektronischen
Zündung kommt. Dann sind die Zylinder gegen Flugrost geschützt.
Reifen:
Reifendruck um 0,5 Bar erhöhen. Neureifen erst im Frühjahr
kaufen, denn Gummi härtet bei niedrigen Temperaturen schneller
aus.
Kette:
Mit speziellem Reiniger säubern, auch Kettenrad und Ritzel,
und anschließend mit Kettenspray einsprühen. Die
Kette sollte auf den korrekten Wert laut Handbuch nachgespannt
werden.
Bowdenzüge:
Spezielle Pflegemittel erhalten die Leichtgängigkeit.
Bei Bowdenzügen Pflegemittel, zum Beispiel Teflonspray,
per Sprühröhrchen in die Hüllen der Züge
geben.
Gummiteile:
Sie werden im Winter bei sehr niedrigen Temperaturen schnell
porös. Ein Gummikonservierer beugt vor. Auspuff: Auspuffrohre
und -endtöpfe sind teuer und rosten bevorzugt von innen
nach außen. Dagegen hilft, einen mit Öl getränkten
Lappen von hinten in den Endtopf zu stopfen. Dieser schützt
nachhaltig vor Feuchtigkeitsbefall und somit vor Rost. Herstellerseitig
schwarz lackierte Auspuffendtöpfe konserviert man am besten
mit einer Paste, die in Omas Küche für die Pflege
von gusseisernen Herdplatten verwendet wurde. Auch nach Jahren
sieht der Auspuff dann noch aus wie neu.
Bremsen:
Bremskolben zurückdrücken und Hebel gegen ungewollte
Betätigung sichern.